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Soziotechnische Systemanalyse im Krankenhaus. Eine arbeitspsychologische Fallstudie in der Anästhesiologie
Citation Link: https://doi.org/10.15480/882.148
Publikationstyp
Working Paper
Date Issued
2001
Sprache
German
Author(s)
Institut
TORE-DOI
Das moderne Krankenhaus präsentiert sich als eine in eine Vielzahl von Fach- und
Funktionsbereichen sowie Spezialisierungsrichtungen gegliederte Organisation.
Hauptmotor dieser Entwicklung war und ist der medizinische Fortschritt, der
immer kompliziertere und offensivere diagnostische und therapeutische Verfahren
hervorbringt. Die Zielsetzung eines Krankenhauses besteht in der Heilung oder
zumindest der Linderung von Krankheiten, um die Lebensqualität der Erkrankten
zu erhöhen. Eine Verbesserung der medizinischen Patientenversorgung ist jedoch
nicht mehr allein durch Vermehrung traditionellen medizinischen Wissens und
durch die Perfektionierung der Artefakte oder der operativen Prozeduren zu erreichen. Aus diesem Grunde wird das Krankenhaus zunehmend theoretisches und
praktisches Arbeitsfeld nicht nur rein medizinisch-pflegerischer Berufsgruppen,
sondern auch fachfremder Wissenschaften, wie zum Beispiel den Wirtschaftswissenschaften, der Informatik, der Soziologie oder der Psychologie, die sich mit unterschiedlichen Thematiken der Organisation auseinandersetzen.
Allein in Untersuchungen des Wissenschaftsbereiches der Psychologie wurden sehr
unterschiedliche Aspekte der Krankenhausarbeit fokussiert. Da die medizinische und pflegerische Tätigkeit in hohem Masse durch den Einsatz von Medizintechnik unterstützt wird, ist das Krankenhaus darüber hinaus Untersuchungs- und Anwendungsfeld ergonomischer Forschung (vgl. Friesdorf, Groß-Alltag, Konichezky & Schwilk, 1993; Held, 1998). Im Zuge der rechtlichen Fixierung der Forderung nach medizinischer Qualitätssicherung rücken neben den benannten Feldern psychologischer Forschung immer mehr die organisationalen Bedingungen des Gesamtbehandlungsprozesses in den Mittelpunkt des Interesses (vgl. Ahnefeld & Stein, 1990), von denen angenommen wird, dass sie Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung haben (vgl. Brennan et al., 1991; Nolan, 2000). Defizite im organisationalen Verlauf der Behandlung finden ihren Niederschlag zum Beispiel in Wartezeiten an den Grenzstellen zwischen den einzelnen Subsystemen des Krankenhauses, in Spannungen zwischen und innerhalb der Berufsgruppen und in dem intensiven Bestreben der einzelnen Fach- und Funktionsbereiche, sich als selbständige Einheiten zu etablieren (vgl. Bornewasser & Schnippe, 1998; Büssing, Barkhausen & Glaser, 1996). Es gelingt scheinbar nicht, den Behandlungsprozess so zu gestalten, dass die einzelnen Leistungen der Subsysteme in Inhalt und Ausprägung auf einen Gesamtprozess hin abgestimmt werden. Umso erstaunlicher ist es, dass der Gesamtbehandlungsprozess und die damit verbundene interdisziplinäre Zusammenarbeit bisher wenig Beachtung in der arbeitspsychologischen Forschung gefunden haben, und trotz früher Wurzeln in diesem Feld (vgl. z.B. Perrow, 1965; 1970) kaum am Handlungsfeld des Krankenhauses kritisch geprüften Instrumente zur Erfassung systematischer Integrationsdefizite vorliegen.
Die vorgestellte Untersuchung stellt einen Versuch dar, diesem Bedarf mit einem in verschiedenen Industrie- und Dienstleistungsbetrieben erprobten Verfahren, der ganzheitlichen Betriebsanalyse Mensch-Technik-Organisation (Strohm & Ulich,
1997), zu begegnen. Der Anspruch und Stellenwert der Untersuchung ist deutlich
der einer breiten, systematischen Analyse und Deskription des anästhesiologischen Feldes aus arbeitspsychologischer Perspektive. Der Fokus liegt dabei auf dem Operationssaal (OP) bzw. auf dem OP-Bereich, der aufgrund seiner zentralen Funktion innerhalb des Gesamtbehandlungsprozesses als Kristallisationspunkt bestehender Probleme in den Prozessen des Krankenhauses anzusehen ist (vgl. Bauer & Martin, 1999). Als Untersuchungseinheit innerhalb des OP-Bereichs wurde das Arbeitssystem Anästhesiologie gewählt, da es zum einen hochgradig mit anderen Bereichen der prä-, peri- und postoperativen Patientenversorgung vernetzt ist, zum anderen jedoch selbst keine Steuerungsfunktionen wahrnimmt. Auf Systeme, wie in diesem Fall die Anästhesiologie, die durch eine hochgradige Vernetzung mit anderen Systemen gekennzeichnet sind, wirken andere Systemkomponenten stark ein, sie selber geben, bei gleichzeitiger Passivität, diese Wirkung jedoch nicht weiter (vgl. Ninck, Bürki, Hungerbühler & Mühlemann, 1998). Sie können daher als Indikatorgrössen für im Gesamtsystem auftretende Schwankungen und Störungen angesehen werden und gewinnen so zentrale Bedeutung für die Analyse und Beschreibung soziotechnischer Systeme.
Funktionsbereichen sowie Spezialisierungsrichtungen gegliederte Organisation.
Hauptmotor dieser Entwicklung war und ist der medizinische Fortschritt, der
immer kompliziertere und offensivere diagnostische und therapeutische Verfahren
hervorbringt. Die Zielsetzung eines Krankenhauses besteht in der Heilung oder
zumindest der Linderung von Krankheiten, um die Lebensqualität der Erkrankten
zu erhöhen. Eine Verbesserung der medizinischen Patientenversorgung ist jedoch
nicht mehr allein durch Vermehrung traditionellen medizinischen Wissens und
durch die Perfektionierung der Artefakte oder der operativen Prozeduren zu erreichen. Aus diesem Grunde wird das Krankenhaus zunehmend theoretisches und
praktisches Arbeitsfeld nicht nur rein medizinisch-pflegerischer Berufsgruppen,
sondern auch fachfremder Wissenschaften, wie zum Beispiel den Wirtschaftswissenschaften, der Informatik, der Soziologie oder der Psychologie, die sich mit unterschiedlichen Thematiken der Organisation auseinandersetzen.
Allein in Untersuchungen des Wissenschaftsbereiches der Psychologie wurden sehr
unterschiedliche Aspekte der Krankenhausarbeit fokussiert. Da die medizinische und pflegerische Tätigkeit in hohem Masse durch den Einsatz von Medizintechnik unterstützt wird, ist das Krankenhaus darüber hinaus Untersuchungs- und Anwendungsfeld ergonomischer Forschung (vgl. Friesdorf, Groß-Alltag, Konichezky & Schwilk, 1993; Held, 1998). Im Zuge der rechtlichen Fixierung der Forderung nach medizinischer Qualitätssicherung rücken neben den benannten Feldern psychologischer Forschung immer mehr die organisationalen Bedingungen des Gesamtbehandlungsprozesses in den Mittelpunkt des Interesses (vgl. Ahnefeld & Stein, 1990), von denen angenommen wird, dass sie Auswirkungen auf die Qualität der Patientenversorgung haben (vgl. Brennan et al., 1991; Nolan, 2000). Defizite im organisationalen Verlauf der Behandlung finden ihren Niederschlag zum Beispiel in Wartezeiten an den Grenzstellen zwischen den einzelnen Subsystemen des Krankenhauses, in Spannungen zwischen und innerhalb der Berufsgruppen und in dem intensiven Bestreben der einzelnen Fach- und Funktionsbereiche, sich als selbständige Einheiten zu etablieren (vgl. Bornewasser & Schnippe, 1998; Büssing, Barkhausen & Glaser, 1996). Es gelingt scheinbar nicht, den Behandlungsprozess so zu gestalten, dass die einzelnen Leistungen der Subsysteme in Inhalt und Ausprägung auf einen Gesamtprozess hin abgestimmt werden. Umso erstaunlicher ist es, dass der Gesamtbehandlungsprozess und die damit verbundene interdisziplinäre Zusammenarbeit bisher wenig Beachtung in der arbeitspsychologischen Forschung gefunden haben, und trotz früher Wurzeln in diesem Feld (vgl. z.B. Perrow, 1965; 1970) kaum am Handlungsfeld des Krankenhauses kritisch geprüften Instrumente zur Erfassung systematischer Integrationsdefizite vorliegen.
Die vorgestellte Untersuchung stellt einen Versuch dar, diesem Bedarf mit einem in verschiedenen Industrie- und Dienstleistungsbetrieben erprobten Verfahren, der ganzheitlichen Betriebsanalyse Mensch-Technik-Organisation (Strohm & Ulich,
1997), zu begegnen. Der Anspruch und Stellenwert der Untersuchung ist deutlich
der einer breiten, systematischen Analyse und Deskription des anästhesiologischen Feldes aus arbeitspsychologischer Perspektive. Der Fokus liegt dabei auf dem Operationssaal (OP) bzw. auf dem OP-Bereich, der aufgrund seiner zentralen Funktion innerhalb des Gesamtbehandlungsprozesses als Kristallisationspunkt bestehender Probleme in den Prozessen des Krankenhauses anzusehen ist (vgl. Bauer & Martin, 1999). Als Untersuchungseinheit innerhalb des OP-Bereichs wurde das Arbeitssystem Anästhesiologie gewählt, da es zum einen hochgradig mit anderen Bereichen der prä-, peri- und postoperativen Patientenversorgung vernetzt ist, zum anderen jedoch selbst keine Steuerungsfunktionen wahrnimmt. Auf Systeme, wie in diesem Fall die Anästhesiologie, die durch eine hochgradige Vernetzung mit anderen Systemen gekennzeichnet sind, wirken andere Systemkomponenten stark ein, sie selber geben, bei gleichzeitiger Passivität, diese Wirkung jedoch nicht weiter (vgl. Ninck, Bürki, Hungerbühler & Mühlemann, 1998). Sie können daher als Indikatorgrössen für im Gesamtsystem auftretende Schwankungen und Störungen angesehen werden und gewinnen so zentrale Bedeutung für die Analyse und Beschreibung soziotechnischer Systeme.